Was ist LRS?

Das Hauptmerkmal der Lese- und Rechtschreibstörung ist eine umschriebene Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten, die nicht durch eine unangemessene Beschulung, nicht durch eine allgemein beeinträchtigte geistige Entwicklung und auch nicht durch eine spezifische Sinnesbeeinträchtigung erklärbar ist.

Sie ist eine, an die Entwicklung der Hirnfunktion gebundene, zentralnervös begründete Teilleistungsstörung der kognitiven Informationsverarbeitung (Hören - Sehen). Diese Verarbeitungsdefizite und ihre Sekundärfolgen (mangelnde oder Übermäßige Leistungshaltung, psychosomatische Symptome, Aggressivität Angstsymptome, Hyperaktivität, Schulunlust, Schulverweigerung etc.) hängen zusätzlich vom familiären Umfeld, der Beschulung und individuellen Merkmalen ab, sie “wachsen sich aber keinesfalls aus”.

Erwiesenermaßen sind die Kinder mit Lese - Rechtschreibstörung vom schulischen Misserfolg, der die gesamte schulische Laufbahn ungünstig beeinträchtigen kann, betroffen. Bleibt diese angeborene Teilleistungsschwäche unbehandelt, so

sind sie insbesondere in späteren Hauptschul- und Sekundarschuljahren von schulischem Misserfolg und Komplikationen betroffen, verbunden mit der Gefahr einer psychischen, schulischen und sozialen Fehlentwicklung.

In der Vorgeschichte der lese - rechtschreibschwachen Schüler liegen häufig Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache vor und andere zentralnervös bestimmte Entwicklungsstörungen (besonders der Wahrnehmung).

Die Zahl der Schulkinder mit Lese- und Rechtschreibstörung des 2. und 3. Schuljahres ist bis zu 7% anzunehmen, wobei 4% der Kinder schwere umschriebene Beeinträchtigungen im Lesen und Rechtschreiben haben. In der Population der Schüler im Alter zwischen 6-18 Jahren, die irgendeine psychosoziale Beratung aufsuchen, wird bei 8% eine Legasthenie diagnostiziert. Jungen sind hierbei 4 - 10 Mal häufiger betroffen als Mädchen. Die Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) ist ein international einheitlich anerkannter diagnostischer Begriff.

Die Lese- und Rechtschreibstörung wird in allen bekannten Sprachen gefunden. Sie ist eine international anerkannte Teilleistungsschwäche. Sie ist weder eine ”Erfindung” einer bestimmten beruflichen Disziplin, noch eine ”deutsche Besonderheit”.

Als diagnostischer Begriff hat die Weltgesundheitsorganisation die Lese- und Rechtschreibstörung als Entwicklungs- störung in den Klassifikationskatalog für psychische Störungen aufgenommen und klassifiziert (ICD 10 F 81.0).

Die Existenz der Lese- und Rechtschreibstörung als Teilleistungsschwäche nicht anzuerkennen bedeutet, sich dem heutigen wissenschaftlichen internationalen Erkenntnisstand zu verschließen und die Not der betreffenden Menschen zu übersehen.

Aus: Stellungnahme des Vorstandes der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Diagnostik, schulischen Förderung und Therapie bei Schülern mit Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie); Forum der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Mitgliederrundbrief I / 1994, Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Med. Andreas Warnke und Kinder-/Jugendpsychiatrie systematisch / 1997 Knölker, Ulrich